Vor nicht allzu langer Zeit wurde ich auf meiner Facebookseite massiv angegriffen, weil ich kühn behauptet habe: „Hunde brauchen Grenzen.“
Zu dieser Aussage stehe ich nach wie vor.
Hunde brauchen Grenzen. Sie leben mit uns in der zivilisierten Welt und wir tragen Verantwortung dafür, dass sie sich in dieser bewegen, ohne sich selbst oder anderen zu schaden.
Aber was sind Grenzen?
Es gibt Menschen, die bei dem Wort „Grenzen“ Alarmsirenen schrillen hören, weil vor ihrem geistigen Auge ein Film abläuft zum Einsatz aversiver Erziehungsmittel, wie körperliche Misshandlung, einem permanenten Einsatz von Wurfdiscs, oder gar Teletakts.
Darum soll es hier primär nicht gehen.
Eine Grenze setze ich bereits dann, wenn ich meinen Hund an der Straße per Leine, Körperaktion oder ähnlichem stoppe, damit er sich nicht gefährdet.
Eine Grenze ist es auch, wenn ich ihm nicht erlaube, Essen von meinem Teller zu klauen, und ihn auf den Boden setze, weil er sich am Tisch hochstellen möchte.
Auch setze ich eine Grenze, wenn ich meinem Schäferhund nicht erlaube, ein vierjähriges Kind anzuspringen, indem ich ihn abdrängle, oder ein scharfes „Nein“ ausspreche.
Grenzen sind vielfältig – und haben unterschiedliche Reichweite und Auswirkungen.
Warum tun sich einige Menschen so schwer mit dem Thema?
Es ist heutzutage angesagt (und übrigens viel einfacher), nett mit unseren Hunden umzugehen. Je mehr wir Hunde als Sozialpartner betrachten (übrigens dieses mit gutem Recht!), umso mehr scheint auch die antiautoritäre Erziehung Einzug zu halten in die Lebenswelt unserer Hunde.
Wer schimpft – oder gar straft (ich rede hier z.B. über ein lautes „Nein“, oder darüber einen Hund körperlich zu blockieren, oder mal über eine Leine, die aus lauter Verzweiflung dem wegsausenden Hund hinterher fliegt), der gilt heutzutage schnell als Tierquäler. Und außerdem als Choleriker, weil er sich selbst nicht unter Kontrolle hat.
Auch ich finde es viel angenehmer, nett zu meinen Hunden zu sein und alles möglichst stressfrei zu regeln. Ich mag es auch nicht besonders, sie einschränken zu müssen, weil auch ich selbst nicht gern eingeschränkt werde von außen.
Warum dann nicht der antiautoritäre Weg?
Nun, wie gesagt, zum einen brauchen Hunde, wie erwähnt, Grenzen, damit sie nicht sich selbst oder andere gefährden, sei es, aus Versehen (siehe das Beispiel mit dem anspringenden Hund, der dabei ein Kind zu Boden reißt), oder, weil sie sich für Dinge verantwortlich fühlen, die nicht ihre Aufgabe sind. Damit meine ich z.B. einen vermeintlichen „Eindringling“ (den Postboten) oder einen anderen Hund fernzuhalten – wenn nötig, mit allen Mitteln, die ihm zur Verfügung stehen.
Nun gibt es Vertreter der Ansicht, einem Hund müsse man keine Grenzen setzen, sondern nur bestätigen, wenn er richtiges Verhalten zeigt. An sich ein sehr netter Gedanke, der bestimmt in vielen Punkten seine Berechtigung hat. Aber woran scheitert dieser?
Spätestens an dem Punkt, an dem der Hund abwägt, was ihm wichtiger ist. Nehme ich den Keks, und halte ich mich zurück? Oder nehme ich erst den Keks und gehe im letzten Moment doch noch dem vorbeilaufenden Hasen nach und laufe dabei über eine Straße? Oder kümmere mich doch um das „Problem“ Postbote?
Selbst, wenn hauptsächlich über positive Verstärkung gearbeitet wird, so kommt man zumeist nicht darum herum, ein Abbruchsignal zu etablieren. Selbst, wenn auf das Signal „Nein“ ein Keks folgt, brauchte es zuvor eine Grenze, um das Abbruchsignal einzuführen. Sei es, dass ich mich körpersprachlich eindrehe, ich den Hund an der Leine zurückhalte o.ä.
Rollenklarheit
Darüber hinaus sagt das Bestätigen richtigen Verhaltens noch nichts über Rollenverteilung und Verantwortungen aus. Es gibt dem Hund eine Orientierung, was er richtig macht (z.B. Bei mir zu bleiben, wenn er einen Artgenossen sieht), erklärt aber damit nicht, dass er nicht dafür verantwortlich ist, den anderen Hund „abzuchecken“ oder gar „fernzuhalten“.
Sprich: Ausschließlich positive Bestätigung gibt dem Hund nicht unbedingt Sicherheit.
Spätestens dann tritt ein Problem auf, wenn der Hund beim Anblick eines Artgenossen/anderen „Feindbildes“ so viel Stress hat, dass er über Futter oder nette Worte nicht mehr ansprechbar ist.
Wie kann ich ihm dann den Stress nehmen? Nun – z.B., indem ich ihm körpersprachlich zeige, dass er nicht verantwortlich ist – und ich in diesen Situationen vorgehe, um ihm Verantwortung abzunehmen. Das beinhaltet eine körpersprachliche Grenze – ich vorne, Du hinten – gewaltfrei, aber dennoch – begrenzend.
In dieser Grenze findet ein Hund Orientierung und kann Verantwortung abgeben – er erhält Rollenklarheit und kann entspannen, weil ich mich kümmere. Dieses führt wiederum zur Entspannung alles Beteiligten.
Artgerecht?
Schauen wir uns an, wie Hunde miteinander umgehen, finden sich selten Anblicke, wie ein Hund dem anderen einen Keks zuwirft, weil sich dieser angemessen verhält.
Ja – das Argument hat seine Berechtigung, dass mein Hund sehr gut weiß, dass ich ein Mensch bin und kein anderer Hund. Die Arbeit mit positiver Verstärkung (also dem Bestätigen des richtigen Verhaltens) hat absolut seine Berechtigung und fließt auch in meine Arbeit ein.
Und dennoch: Hunde untereinander zögern nicht, gegenseitig Verhalten abzubrechen, durch ein kurzes Knurren, ein Fixieren, Lefzen hochziehen oder einem kurzen Abschnappen. Bricht davon der gemaßregelte Hund zusammen? Nein. Warum sollte er es dann von mir nicht aushalten können?
Fazit
Wichtig ist, dass man bei jedem Hund die richtige Dosis findet, wie Grenzen gesetzt werden.
Starkzwangmethoden, körperliche „Züchtigung“, Stromreizgeräte usw. stehen völlig außer Diskussion. Sie verstoßen gegen das Tierschutzgesetz und verspotten den Sozialpartner Hund.
Grenzen sind individuell – für einige Hunde reicht ein „Nein“, andere schaut man kurz strafend an, andere werden situativ körperlich kurz blockiert – und andere Hunde verpacken es gut, wenn mal eine Leine hinter ihnen herfliegt. Nicht als generelles Erziehungsmittel, sondern situativ, weil ich den Hund gerade nicht anders erreiche. Wieder andere kann man durch das Leben „keksen“, wenn es zu Hund und Halter passt.
Bei allem bleibt: Grenzen sind nicht nur beengend – ganz im Gegenteil erlauben sie innerhalb dieser Freiräume.
Hunde kennen Abbruchsignale anderer Hunde und können sie einordnen, solange sie fair, situativ und dem Hund gegenüber angemessen sind.
Ein Hund, der von seinem Halter faire und klare Grenzen vermittelt bekommt, kann sich darauf verlassen, dass er an anderer Stelle frei ist. Er wird vor allem frei dadurch, dass er nicht glaubt, Verantwortung übernehmen zu müssen, die er nicht tragen kann, weil er mit der Situation überfordert ist – und so in Problemverhalten verfällt.
Ich würde mir vor allem wünschen, dass das Wort „Grenze“ kein rotes Tuch mehr ist. Denn auch, ich behaupte: gerade, wenn man Grenzen aufzeigt, kann man sich als verantwortungsbewusster Hundehalter zeigen, der acht gibt – auf seinen Hund, aber auch auf seine Umwelt.
Vor allem aber gilt: Menschen unterschiedlicher Einstellung sollten miteinander in ein ernsthaftes Gespräch kommen, statt pauschal Vertreter anderer Gesinnung zu verurteilen.
Erst nachfragen – dann urteilen!
(c) Johanna Pelz, www.miteinanderlernen.de (Bitte nur teilen – nicht klauen! )