Irrtum 7: Was der kann, muss meiner auch können!

Irrtum:
Kennen Sie das? Sie schauen neidvoll zu anderen Hundehaltern, deren Hunde förmlich an ihnen kleben, ganz egal, was um sie herum passiert? Diese Hunde stürmen nicht sofort los, wenn sie einen Artgenossen sehen. Sie himmeln Ihren Halter förmlich an – während dieser vielleicht sogar kaum etwas dafür tut. Sie lassen sich mit einem „Stop“ mitten bei der Kaninchenjagd abrufen – oder würdigen die Kaninchen nicht einmal eines Blickes.
In Ihnen kommt der große Wunsch auf, dass Ihr Hund sich ebenso verhält. Sie denken sich: „Was der kann, muss meiner auch können.“

Richtigstellung:
Ich kenne die oben geschilderten Situationen nur zu gut. Aus eigener Erfahrung – und aus Erfahrungen mit Kunden. Man selbst gibt sich alle Mühe, spannend für den eigenen Hund zu sein, ihn souverän zu führen – und dennoch hakt es immer wieder in gewissen Momenten. Manchmal eben mehr, manchmal weniger.
„Warum nur klappt es bei den anderen – und bei mir nicht?“, ist die Frage, die schnell aufkommt.

Die Antwort liegt eigentlich auf der Hand: Weil jedes Mensch-Hund-Team anders ist.
Angefangen bei verschiedenen Hunderassen, welche unterschiedliche Veranlagungen mitbringen. Nicht jede Hunderasse wurde zum Apportieren gezüchtet. Nicht jede Hunderasse ist „triebstark“. Nicht jede Hunderasse hat einen hohen „Will to please“, also den Willen, seinem Menschen besonders zu gefallen.
Selbst, wenn Sie sich einen Hund einer dieser Rassen angeschafft haben, haben Sie keine Garantie dafür, dass Ihr Hund die gewünschten Charaktereigenschaften mitbringt – auch, wenn die Wahrscheinlichkeit hoch ist.
Das heißt, der erste Schritt liegt darin, zu akzeptieren, dass ein Hund ein Individuum ist, das bestimmte Fähigkeiten, aber auch gewisse „Schwächen“ mitbringt.

Und der zweite Schritt?
Dieser liegt darin, zu akzeptieren…. dass auch Sie ein Individuum sind, das bestimmte Fähigkeiten, aber auch gewisse „Schwächen“ mitbringt. Smilie: ;)
Sprechen wir über die Beziehung mit Ihrem Hund, dann ist es von Vorteil, wenn die Eigenschaften Ihres Hundes und Ihre zusammenpassen (sie müssen nicht immer identisch sein…aber dazu an anderer Stelle mehr!).
Haben Sie zum Beispiel einen jungen, dynamischen Hund, der für sein Leben gerne spielt, rauft und zerrt, ist es gut, wenn Sie selbst sich gern bewegen und in körperlich guter Konstitution sind. Haben Sie einen Hund, der geistig gefordert werden möchte, dem es nicht nur reicht, „nebenher“ zu laufen, ist es schön, wenn sie selbst Spaß daran haben, neue Beschäftigungsmöglichkeiten für Ihren Hund zu entwickeln. Und umgekehrt – verbringen Sie gern Zeit an der frischen Luft und gehen Sie z.B. gern Joggen, ist ein Hund wie der Basset vielleicht nicht der ideale Begleiter für Sie. Smilie: ;)

Es kommt somit auf das Zusammenspiel von den Fähigkeiten und Interessen an, die der Hund mitbringt – und der Art, wie Sie damit umgehen und diese fördern. Ein Kind, das aus einer Familie von Musikern stammt, wird nicht ein Virtuose auf der Geige, wenn es keine Geigenstunden, aber dafür Fußballtraining bekommt. Andersherum wird es vielleicht auch kein großartiger Fußballspieler, wenn es daran keinen Spaß hat.

Zurück zu den „Fell“beispielen: Es gibt Hunde, die kein besonderes Interesse an anderen Hunden haben. Diese können nicht der Maßstab sein, an dem Sie Ihren unkastrierten Rüden messen, wenn eine attraktive Dame vorbeispaziert. Smilie: ;)

Ein Hund, der nur aus Langeweile mal einem Hasen hinterher läuft und sich jederzeit stoppen lässt, ist kein Vergleich mit einem passionierten Jäger, der bereits mehrmaligen Jagderfolg hatte.

Ein Straßenhund, der jahrelang für seine eigene Existenz gesorgt hat, wird häufig nicht so eng an Ihnen kleben wie ein Border Collie, den Sie mit acht Wochen vom Züchter geholt haben.
Möglicherweise haben auch Sie keine Lust daran, mit Ihrem Hund intensiv zu spielen (was natürlich schade wäre – dennochSmilie: :) Auch so kann es dazu kommen, dass Ihr Hund nicht an Ihnen klebt, wenn Sie ein Spielzeug aus der Tasche holen.

All das sind Beispiele, die ich anführe, um Ihnen eins zu verdeutlichen: Wie man in Köln so schön sagt: „Jeder Jeck ist anders.“ Dieses dürfen Sie auf Menschen, wie auf Hunde übertragen (Auch außerhalb Kölns Smilie: ;)).

Lösen Sie sich von direkten Vergleichen mit anderen Hunden und anderen Mensch-Hund-Teams- das kann oft frustrierend sein.
Ihre Frustration überträgt sich auf Ihren Hund – und fördert nicht, sondern schadet Ihrer Beziehung nur. Finden Sie stattdessen heraus, an was Ihr Hund Interesse hat, wo er u.U. besondere Fähigkeiten hat – gleichen Sie es mit Ihren Interessen ab und nutzen Sie dieses Wissen für gemeinsame Aktivitäten. Finden Sie heraus, was Sie als Team besonders gern zusammen machen – das ist mehr wert als jeder Vergleich. Es geht nicht darum, „Klassenbeste“ zu werden, sondern ein möglich entspanntes und harmonisches Leben mit Ihrem Vierbeiner zu haben.

Und vergessen Sie nicht: Was Sie wahrnehmen, wenn Sie andere Mensch-Hund-Teams beobachten, sind Momentaufnahmen. Versuchen Sie sich vorzustellen, dass der scheinbar gut abrufbare Hund 1 von 10 Malen auf sein Frauchen reagiert – und dieses eine Mal erleben Sie. Vielleicht jagt der Hund, der nicht sofort zu anderen Hunden stürmt, Joggern hinterher – oder kommt nicht mit Kindern zurecht.
Sie sehen – kein Mensch-Hund-Gespann ist perfekt. Behalten Sie das im Hinterkopf, wenn das nächste Mal ein wenig Neid in Ihnen aufkommt. Smilie: ;)

Kategorie(n): Allgemein

6 Antworten auf Irrtum 7: Was der kann, muss meiner auch können!

    Henry Wollentin sagt:

    Hallo Johanna,

    und hier wieder meine Meinung zum Thema BEVOR ich deine gelesen habe:

    Meine beiden Hunde müssen um nichts in der Welt alles können, was andere können.

    Meine beiden Hunde sollen Hunde sein und sich auch so verhalten – möglichst natürlich. Sie müssen aber all das können, was das Zusammenleben in der Familie harmonisch macht und den Alltag friedlich gestaltet.

    Die meisten Hunde, dienen ich täglich begegne, können eine Menge Dinge, meist aber nicht das, was in der jeweiligen Situation grad nützlich gewesen wäre. Was nützt mir ein Hund, der bei „peng“ wie totgeschossen umfällt und alle drüber lachen, aber wenn er in einer Situation schnell ran kommen und sich setzen soll, weil grad eine Kindergruppe vorbei geht, er dazwischen rennt, dann nützt mir „peng“ auch nichts.

    In meinen Augen ist das Trainieren von Hunden (Alltagstauglichkeit nenne ich nicht trainieren, sondern erziehen) oft nur die Befriedigung einer Profilneurose des Halters, entweder um Eindruck zu schinden oder Wettbewerbe zu gewinnen. Um einen Hund auszulasten, bedarf es solchen Quatsches nicht, das kann man auch artgerecht erledigen, und das sieht meist ganz anders aus als gemeinhin dargestellt wird, z. B. durch einen bekannten Fernseh-Hunde-Versteher mittels Reizangel.

    Fazit: meine Hunde lernen sich zu benehmen, aber sie werden keine Zirkus-Clowns.

    Liebe Grüße
    Henry

      Johanna Pelz sagt:

      Hallo Henry!
      Danke für Deinen Kommentar. Smilie: :)
      Natürlich hast Du Recht damit, dass es wichtigere und unwichtigere Dinge gibt (z.B. Tricks), die ein Hund „können“ sollte. In dem Artikel geht es aber auch um elemenatre Sachen, z.B. Jagdtrieb oder das Verlangen, zu anderen Hunden hinzurennen usw. – dieses sind durchaus relevante Dinge, die aber nicht jeder Hund (und jeder Halter) gleichgut „im Zaum“ halten kann.

      …obwohl Hunde, die Tricks können, nicht gleich „dressierte Zirkusclowns“ sind. So lange es ihnen – vor allem ihnen! – und den Menschen Spaß macht, ist nichts dagegen einzuwenden, denke ich. Aber ich glaube, Du meintest auch etwas anderes, kann das sein? Nämlich, dass Hunde nicht 100% „funktionieren“ müssen, sondern auch noch Hund sein dürfen?! Das sehe ich absolut auch so! (Und habe ich ja schon beschrieben in „Der muss gehorchen!“Smilie: ;)

      Ich stimme Dir darin zu, dass jeder Halter kritisch überprüfen sollte, was er mit dem Hund aus welchem Grund macht; d.h., ob wirklich der Hund das Bedürfnis hat, z.B. Agility zu machen – oder ob es das des Halters ist.

      Herzliche Grüße!
      Johanna

  1. Liebe Johanna,

    geht es uns Menschen nicht auch manchmal so? Gerne möchten wir so sein, wie der oder die Andere. Wenn wir aber einmal genauer hinschauen, fühlen wir uns gar nicht wohl damit, uns so anzustrengen auf dem Weg jemand anderes zu sein. Vielmehr müssen wir feststellen, dass dies nicht zu unserer Persönlichkeit passt. Die Frage ist also: Wieso verlangen wir das von unseren Hunden? Hat das vielleicht etwas mit uns selber zu tun? Schon allein, wenn wir uns das bewusst machen, können wir ich doch getrost mit den Macken unserer Hunde umgehen und uns an seinen anderen Fähigkeiten und Eigenschaften (die andere vielleicht nicht haben )erfreuen.

    Es ist immer wieder inspirierend, deine Artikel zu lesen. Danke!

    Herzliche Grüße
    Barbara

      Johanna Pelz sagt:

      Liebe Barbara!

      Verrückt, oder? Wir selber protestieren, wenn man versucht, uns zu verbiegen – und neigen allzuschnell dazu, genau das mit unseren Hunden zu probieren. Wir sprachen ja darüber – die Macht der Fremdbestimmung. Gerade weil wir diese Macht (oder nennen wir es Verantwortung) haben, sollten wir sensibel damit umgehen – und möglichst im Sinne von Mensch UND Hund handeln.
      Ganz lieben Dank für Dein schönes Feedback.

      Herzliche Grüße ins Bergische <3
      Johanna

  2. Hey,

    ich bin grade ueber ein Hundeforum auf deinen Blog gestoßen und werde bestimmt öfters mal reinschauen.

    Ich liebe Hundeblogs.

    Ich folge dir einfach mal und hoffe das ist okay.
    Wenn du magst und dir unser Blog gefällt, wir das sind ich und mein Chihuahua Chilli Pepper, dann darfst du uns auch gerne mal besuchen oder uns folgen.

    Unser Blog ist unter http://lenchen23.blogspot.de/ zu finden.

    Viele liebe Grüße aus den kalten Norden

    Mareike und Chilli Pepper

      Johanna Pelz sagt:

      Hallo Mareike!

      Danke für Deinen Kommentar und viel Spaß beim Lesen – und selbst Bloggen. Smilie: :)

      Viele Grüße aus Köln!
      Johanna

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