Du musst konsequent sein!

Bestimmt kennen Sie die Aussage, die im Titel steckt. Und wir alle glauben, zu wissen, was es bedeutet, konsequent zu sein: In bestimmten Situationen auf den Hund immer gleich zu reagieren. Oder?

Schauen wir uns den Begriff und seine sprachliche Entwicklung mal etwas genauer an. Das Wort Konsequenz entstammt dem Lateinischen „consequentia“. Es bedeutet laut Wiktionary:

  1. Auswirkung einer Handlung, Folge;
  2. Beharrlichkeit, Zielstrebigkeit, Ausdauer.

Bezogen auf den Umgang mit dem Hund sind normalerweise die zuletzt genannten Bedeutungen gemeint. Ein Hundehalter, so die übliche Denkweise, sollte beharren auf das, was er gesagt hat. Zielstrebig sein darin, den Hund zu einem Ergebnis zu bringen. Ausdauernd sein in dem, was er von dem Hund verlangt.

Das Wort „Consequentia“ lässt sich, so das genannte online Wörterbuch, auch mit „gleichbedeutend“ übersetzen. Im Training mit dem Hund würde das heißen, auf ein bestimmtes Verhalten des Hundes immer gleich zu reagieren. Beispiele dafür liest man noch häufig in Hundebüchern und hört man auf dem Hundeplatz. Sie lauten z.B.: „Immer, wenn mein Hund mich zum Spielen auffordert, spiele ich nicht mit ihm, weil ich das Spiel anfangen soll.“ oder aber: „Immer, wenn mein Hund zu mir zurückkommt, lobe ich ihn und gebe ihm ein Leckerchen.“
Davon abgesehen, dass diese zwei Ratschläge nicht meiner Philosophie entsprechen:
Wie realitätsnah ist es, immer gleich auf ein Verhalten zu reagieren? Wo sonst in unserem Alltag handhaben wir es so? Nie würden wir auf die Idee kommen, Beziehungsratschläge zu erteilen, wie: „Immer, wenn Dein Partner nicht wie versprochen zu einer bestimmten Uhrzeit anruft, geh den gesamten Tag nicht mehr ans Telefon!“ Stattdessen würden wir hinterfragen: Warum hat er nicht angerufen? Gab es einen guten Grund? Je nachdem, wie wir das Verhalten bzw. den Grund bewerten, würden wir entsprechend darauf reagieren. Immer situativ – nie pauschal.
Warum also sollten wir es beim Zusammenleben mit dem Hund so anders, so alltagsfern, handhaben?

Bleiben wir bei dem Beispiel: „Immer wenn ich meinen Hund rufe und er kommt, lobe ich ihn und gebe ihm ein Leckerchen.“: Wahrscheinlich stimmen Sie mir zu, dass es auch beim Hund einen großen Unterschied macht, wann er wie aus welchem Grund (spät) kommt, wenn ich ihn rufe. Kommt er sofort freudig angelaufen? Oder schnüffelt er sich fest und ignoriert er meine Ansage dreimal, bevor er sich gnädigerweise entscheidet, langsam zu mir zu schlendern? Oder will er vielleicht kommen, aber ein Artgenosse blockiert ihn, indem er sich ihm in den Weg stellt? Drei Beispiele – die drei (und noch mehr!) ganz verschiedene Reaktionen bei einem Halter auslösen könnten…

Aber was für eine Form von „Konsequenz“ ist angebracht?

Aus dem Wort „consequentia“ lässt sich das Verb „consequi“ ableiten, was so viel wie „folgen“ oder „nachfolgen“ heißt. Die Vorsilbe „con“ lässt sich als „mit“ übersetzen.
So erlangt das Wort die Bedeutung:  „mit-folgen“, in diesem Fall „(dem Hund oder der Situation) mitfolgen“. Der Akzent bei der Aussage ist damit ein ganz anderer, als wenn ich das Wort mit „gleichbedeutend“ übersetze – oder?

Wie fühlt es sich für Sie an, wenn Sie den Begriff verstehen als „dem Hund, in der jeweiligen Situation, mitfolgen“?
Ich meine damit nicht, sich von einem Hund führen zu lassen, ihm räumlich zu folgen. Vielmehr verstehe ich darunter, den Hund zu beobachten, wahrzunehmen, wie es ihm geht, wie er mit einer Situation umgeht – und entsprechend darauf zu reagieren.

Genausowenig, wie menschliche Beziehungen nach dem Schema funktionieren: „Immer wenn mein Partner/Kind x tut, reagiere ich mit y darauf“, kann das Zusammenleben mit einem Hund so funktionieren. Entscheidend ist immer der Kontext. Ein Hund handelt stets aus einer (für ihn) positiven Absicht heraus. Er tut Dinge, die für ihn sinnvoll sind. Das bedeutet nicht, dass wir sie ebenso als sinnvoll erachten müssen. Smilie: ;) Es meint auch nicht, dass wir alles tolerieren oder gar akzeptieren müssen, was ein Hund tut.
Aber genau wie jeder andere Partner auch hat unser Hund das Recht, dass wir sein Verhalten beobachten, hinterfragen – und dann entscheiden, wie wir darauf reagieren.

Und das darf jeden Tag ein wenig anders sein. Wir werden nicht für den Hund „unberechenbar“, weil wir nicht immer gleich reagieren. Natürlich helfen gewissen Regeln zur Orientierung im Alltag. Ich plädiere nicht dafür, wahllos zwischen Extremen hin- und herzuwechseln. Wir sollten  für den Hund ein zuverlässiger Partner sein. Aber genau so, wie bei Hunden untereinander in einer Situation penetrante Spielaufforderungen eines Vierbeiners vom anderen geduldig ertragen werden – und in der nächsten Situation kurz und knackig abgebrochen werden, dürfen auch wir Hundehalter uns einen gewissen Handlungsspielraum zugestehen.

Alles andere wäre realitätsfern – und demnach für den Hund unglaubwürdig. Wichtiger als Gleichförmigkeit ist, dass die Interaktionen mit dem Hund authentisch sind. Glauben Sie mir – nichts ist für den Hund weniger überzeugend, als ein Herrchen oder Frauchen, das innerlich brodelt, aber mit einem Leckerchen winkt und mit hoch erhobener Stimme „Feeeeeeein“ säuselt. Smilie: ;)

In diesem Sinne: Seien sie authentisch! Lassen Sie den Ärger zu, den Sie empfinden, wenn Ihr Hund Sie gerade mal an der Nase herumgeführt hat. Und lassen Sie genau so die Freude und das innere Kind raus, wenn Ihr Hund Sie zum Spielen auffordert und Ihnen gerade danach ist.
Ich verspreche Ihnen: So sind Sie für Ihren Hund am glaubwürdigsten. Und das ist, meiner Meinung nach, einer der wichtigsten Bausteine für eine gute Beziehung.

Kategorie(n): Allgemein, Führung, Training

8 Antworten auf Du musst konsequent sein!

  1. Wie immer, Johanna, perfekt und meinem Hund aus der Seele gesprochen / geschrieben.

    Johanna Pelz sagt:

    Lieben Dank dafür Smilie: :)

  2. Sehr schön liebe Johanna!
    Du sprichst mir aus der Seele Smilie: :)

  3. Toller Blog!
    Ich habe grad vor ein paar Tagen angefangen. Mal sehen, wie lange ich durchhalte. Hier nur mal eine kleine Hundegeschcihte aus meinem Blögchen, das eher ein allgemeinses Tagebuch ist.

    http://gisiblog.blogspot.de/2012/09/untrgegangenen-rottweiler-aus-eiskaltem.html

    LG Gisela aus dem Berchtesgadener Land.

      Johanna Pelz sagt:

      Hallo Gisela!

      Vielen Dank für das Kompliment.
      Und immer schön weitermachen mit dem Bloggen – denn es macht doch richtig Spaß, oder?

      Liebe Grüße aus Köln,
      Johanna

  4. Uff, endlich mal ein Statement, dass mir total aus der Seele spricht. Ich bin kein Menschomat und ich will auch keinen Hundomat. Ich will eine lebendige Beziehung zu meinem Wauzi und – wie Du so treffend schreibst – authentisch sein. Da ich nicht perfekt bin, verlange ich das auch nicht von meinem Hund.
    Kompliment liebe Johanna für diesen tollen Blog!

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