Der spielt nicht!

Häufig höre ich von Hundebesitzern, dass ihre Hunde nicht spielen. Zumindest nicht mit ihnen. Sie berichten, dass ihre Hunde sich weder über den Einsatz von Futter, noch über Motivationsobjekte wie Quietschies oder Körpereinsatz (Veränderung der Körperhaltung, Spielsignale) zum Spielen motivieren lassen.

Wenn Sie mir solche Dinge über Ihren Hund schildern, stellt sich mir nicht zuerst die Frage, was man alternativ dem Hund anbieten könnte oder bei ihm verändern muss, damit er sich spielbereit zeigt. Zunächst frage ich: „Wer spielt nicht? Ihr Hund? Oder Sie selbst?“
Wie so häufig ist die eigentliche Ursache nicht unbedingt beim Hund zu finden – sondern unter Umständen beim Halter.
Vierbeiner, die mit einem Menschen leben, der selbst nicht spielen möchte, werden zwangsläufig auch nicht spielen. Zumindest nicht mit ihren Menschen – sondern stattdessen z.B. mit anderen Hunden. Aber aus dem Spiel mit anderen Hunden entsteht nunmal keine tiefe Mensch-Hund-Beziehung…

Gründe, warum ein Hundehalter nicht mit seinem Hund spielt, gibt es zahlreiche: Vielleicht weiß der Mensch nicht um die Möglichkeiten, mit einem Hund zu spielen. Spiel kann nicht nur Sozialspiel (Raufen) sein, sondern auch über den Einsatz von Motivationsobjekten oder Futter geschehen.
Vielleicht ist der Halter ein Mensch, der sich nicht das Recht zugesteht, mal „Fünfe gerade sein“ zu lassen. Sein Leben besteht unter Umständen vor allem aus Arbeit und er gönnt sich selbst keine Auszeiten. Wie aber kann ein Mensch, der sich selbst nicht das Recht gibt, auszuspannen, dieses seinem Hund ermöglichen?
Ich habe von Kunden auch gehört, dass es ihnen peinlich ist, in der Öffentlichkeit (z.B. im Park) körperaktiv mit ihrem Hund zu spielen. Ein Erwachsener, der sich auf dem Boden mit seinem Hund herumrollt – wo gibt’s denn sowas? (Auf dem Herkulesberg in Köln trifft man solche Leute, habe ich mir sagen lassen Smilie: ;))
Möglicherweise reicht die Motivation dazu, mit dem Wurfarm Bälle zu schießen… aber ist das tatsächlich Spielen mit dem Hund? Ist es nicht vielmehr Spiel weg vom Menschen – einfach weil dies die Konsequenz der Bewegung ist, die mit dem Wurfarm vollzogen wird? (siehe auch Damit der Hund müde wird )

Warum beharre ich so sehr auf das Thema „Spiel“? Warum hake ich nach, statt mich damit abzufinden, dass es Hunde gibt, die überhaupt nicht spielen?
Spiel ist der Ausgleich zur Führung. Der Hund hat ein Anrecht darauf zu spielen, weil er dort Freiräume gewährt bekommt, wo sonst klare Grenzen sind. Im Spiel erzielt der Hund (Beute-)Erfolge. Spiel vertieft die Beziehung.
Das alles erfordert aber die Bereitschaft dazu, sich auch mal „richtig zum Horst“ zu machen. Spiel ist geprägt durch Übertriebenheit. Schauen wir uns Hunde beim Spielen an, empfinden wir Faszination für ihre Bewegungsabläufe, lachen über die Geräusche und Spielgesichter. „Ja, aber das sind schließlich Hunde!“, sagen Sie vielleicht einerseits. „Die können das machen, das ist nicht peinlich. Aber wenn ich sowas mache, dann ist es das!“ Andererseits wundern Sie sich, dass Ihr Hund, wenn Sie ihn aus dem Spiel abrufen, nicht zu Ihnen kommen möchte. Könnte hier vielleicht irgendein kleiner Zusammenhang bestehen? Smilie: ;)

So. Wer spielt denn nun nicht. Sie? Oder Ihr Hund? Wenn Ihr Hund mit anderen Hunden spielt und mit Ihnen nicht, dann liegt es in irgendeiner Form an Ihnen oder der Mensch-Hund-Beziehung. Das bedeutet nicht, dass diese grundsätzlich schlecht ist. Aber sie ist möglicherweise nicht so in Balance, wie sie es im Idealfall sein sollte. Vielleicht ist der Bereich der Führung zu groß. Vielleicht senden Sie keine eindeutigen Signale, die dem Hund eine Spielbereitschaft anzeigen. Unter Umständen müssen Sie sich erst einmal über alle Möglichkeiten des gemeinsamen Spiels klar werden. Vielleicht müssen Sie sich selbst zunächst das Recht zugestehen, das innere Kind herauszulassen und mit Ihrem Hund zu toben. Vielleicht müssen Sie zunächst einmal den Mut schöpfen, sich für Ihren Hund in der Öffentlichkeit ein wenig zum Deppen zu machen. Das mag nicht leicht sein, aber sicherlich ist es das wert. Ihr Hund wird es Ihnen mit Vertrauen und Respekt an anderer Stelle danken.

Denn schlussendlich gilt: Was kümmeren Sie die Blicke anderer Menschen, wenn Sie einmal in die erwartungsvollen Augen Ihres Hundes gesehen habe, kurz bevor Sie ins Spiel einsteigen?

Kategorie(n): Spiel

10 Antworten auf Der spielt nicht!

  1. Hallo Johanna,

    du sprichst mir aus der Seele.

    Es gibt wirklich nicht viel Schöneres, als mit meinem Hund in einem intensiven Spiel zu sein. Hier kann sich jeder so geben, wie er gerne möchte. Sei es der Hund oder ich. Gerade diese Freiheit zu haben und auch zu zeigen, macht für mich und meinen Hund einen großen Reiz aus und unsere Beziehung wächst daran ständig (auch in dem zarten Hundealter von nun neun Jahren). Ich kann also nur jedem empfehlen, einmal auszuprobieren, wie sich das anfühlt.

    Ganz herzlichen Dank für diesen wunderbaren Artikel!

      Johanna Pelz sagt:

      Ja, liebe Barbara, Spiel ist altersunabhängig. Gilt für Hund wie für Mensch. Na gut, irgendwann verändert sich vielleicht die Art und Weise, wie man spielt…wenn es öfter im Hunde- oder Menschenrücken knackt Smilie: ;)….aber Spiel hat lebenslang Faszination!

  2. Ja Johanna, wie gut kann ich mic noch daran erinnern, als mein Hund mir mitteilte, dass Spielen mit mir nicht das ist, was er möchte. Mit anderen Hunden ging das immer, dafür lief er über Straßen und sehr weit weg von mir. Nun kann ich mit Stolz behaupten, dass ich mich liebend gerne in den Matsch werfe, mein Hund auf meinem Brustkorb rumspringt, mir in die Wade zwickt, um mich zu Fall zu bringen, wir an einem alten Handtuch, Socken, Bettdecke, Vorhang oder sonst einem Gegenstand der gerade in der Nähe ist, herumzerren. Vor allem begeistert mich sein Gesicht, wenn er die Beute erfolgreich gewonnen hat, stolz damit im Raum herumtänzelt und DANN genau mit dieser BEUTE zu mir kommt, sie bei mir hinlegt, mich anbellt, seinen Oberkörper auf den Boden schmeisst und grinst. Es ist ein Grinsen! Du hast in deinem Artikel sehr gut die Gedanken und Schwierigkeiten von Hundehaltern getroffen, die sich so viel mehr Gedanken um ihre Aussenwirkung machen, als in Teilen über ihre Beziehung zum Hund und die Wertschätzung für sich selbst. Sich selbst genug wert zu sein und hinter sich zu stehen, um auf dem Boden herum zu kugeln. Sich selbst wahrhaftig genug zu sein, sich einzugestehen, dass man das Kind in einem Selbst unbedingt heraus lassen muss. Und dann die Erkenntnis zu gewinnen, dass man sich nach einem Spiel genau so frei fühlt wieder der Hund sich, weil er wahrhaftig ist, in dem was er tut. Und nebenbei, ich hab nen kleinen Schreibfehler gefunden, ganz unten beim Wort kümmern.

      Johanna Pelz sagt:

      Liebe Inga,

      Vielen Dank für Deinen Kommentar. Deine Ausführungen kann ich nur unetrschreiben! Smilie: ;) Und vor allem zusammenfassen auf eine zentrale Aussage: ICH BIN OK! Und das bin ich immernoch, wenn ich mich mit meinem Hund auf dem Boden kugel. Oder: Gerade dann Smilie: ;)

  3. Huhu Johanna,

    ich zitiere mich mal selbst:“ Wenn die Nachbarn mit dem Telefon hinter der Gardine stehen um die Jungs mit den weißen Jacken (Ärmel hinten) zu informieren, dann hast du richtig (mit dem Hund) gespielt!“
    Haben meine Kunden bisher immer verstanden und mit einem Grinsen im Gesicht ausprobiert, abgeholt haben sie noch keinen.

    Ich mach’s dann vor und wenn ich dann schlammverschmiert, keuchend , aber mit einem hoch motivierten Hund (des Anderen) sichtlich viel Spaß habe & erzeuge, sehe ich manchmal in den Augen des Menschen die Überlegung auf blitzen :“Ich könnte das ja heimlich zu hause auch mal ausprobieren?!“ Und dann weiß ich, der Hund wird in Zukunft öfter mal mit seinem Menschen spielen. Toller Artikel!

      Johanna Pelz sagt:

      Liebe Jessica,
      Ich finde Dein „Kriterium“ für gutes Spiel sehr treffend Smilie: :) Obwohl natürlich nicht jeder Hund ein Raufer ist…und auch nicht jeder Mensch. Auch das ist OK, wenn ein Mensch-Hund-Team „seine“ Art und Weise zu spielen gefunden hat.
      Aber ja, gelungenes Sozialspiel ist wirklich gefühlsmäßig etwas ganz Besonderes Smilie: :)

    Gabriele Keybe sagt:

    Liebe Johanna,
    dein Artikel spricht aus, was ich erst wieder lernen musste. „Meine Hunde können nicht spielen“, so dachte ich. Hatten sie doch 5 Jahre Töungsstation und davor Jahre ums Überleben kämpfen auf der Straße hinter sich. Von wegen, die können nicht! Ich konnte es nicht. Heute… sage und schreibe knappe 3 Wochen nach unserem Treffen mit dir, toben wir über die Wiesen und fetzen durch die Wohnung. Und es macht überhaupt nichts aus, der Volldepp zu sein. Ganz im Gegenteil, habe ich doch dadurch wieder ein Stück gelassenes Kindsein zurück gewonnen. Hatte völlig vergessen, wie viel Spaß das macht. Kann nur jedem wärmstens empfehlen, sich darauf einzulassen.
    Super Artikel, weiter so!
    Gruß Gabi

      Johanna Pelz sagt:

      Liebe Gabi,
      Das ist eine wirklich tolle Entwicklung! Gerne wäre ich mal Mäuschen, um Euch mit Euren tollen Hunden beim Toben zuzugucken. Ich kann mir vorstellen, dass es richtig viel Spaß macht! Faszinierend, was wir für unsere Hunde bereit sind, wieder neu zu entdecken -oder? Ich kenne es von mir selbst…
      Liebe Grüße an alle!

  4. Liebe Johanna,
    Du sprichst mir aus der Seele!
    Mir schießen heute noch (wie damals) die Tränen in die Augen, wenn ich daran denke, wie Balou zum ersten Mal seit SIEBEN!!! Jahren wieder sein „Spielgesicht“ zeigte und sich auf mich einließ. Weißt Du noch in Much…
    Ich hatte es mir durch die „guten“ Ratschläge auf dem Hupla:“Der wird so groß, da darf der ein Zerrspiel nicht gewinnen, wie willst Du ihn sonst noch im Griff haben.“ für lange Zeit gründlich versaut.
    Natürlich war es für mich auch bequem, zu sagen:“Mein Hund spielt nicht.“
    Wer hat schon gern bei körperaktiven Spielen 48 Kilo Lebendgewicht auf sich liegen oder am Arm hängen?
    ICH…inzwischen…und ich kann es nur empfehlen. Vor allem Menschen, die unter „Kontrollzwang“ leiden. Smilie: ;)
    Leute, verliert auch mal die Kontrolle über Euch und gebt Euch einfach dem Spiel hin! Es macht richtig Spaß und die Beziehung zu Eurem Hund profitiert ungemein davon. Und nebenbei bemerkt: Nicht nur die…Smilie: ;)
    Ganz liebe Grüße
    Heike

    Johanna Pelz sagt:

    Liebe Heike!
    Ja, ich erinnere mich. Tolle Entwicklung…vom anfänglich (wenig erfolgreichen) Tuch-ins-Gesicht-Hauen zum „richtigen“ Spiel. Smilie: :D
    Ja, wir haben alle unsere Entwicklungen gemacht…ich habe anfangs so mit Cookie gespielt, dass man hätte meinen können, dass Zerrseil hieße so, weil man daran Hunde durch die Gegend zerren kann Smilie: ;) Jetzt zerrt er mich durch die Gegend…weil er es DARF Smilie: :)
    Ganz liebe Grüße an Euch alle zurück!

Schreibe einen Kommentar zu Jessica Gross Antworten abbrechen

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert.

Ich freue mich über Kommentare und Anregungen!