Höflichkeit ist eine Zier…

…oder:

Warum man zu seinem Hund auch mal „Bitte“ sagen sollte.

Ja, ich gebe es zu: Ich sage zu meinen Hunden manchmal „Bitte“ und „Danke“: Wuselt Cookie mir zu sehr um die Füße herum, sage ich zum Beispiel zu ihm: „Leg Dich bitte mal ab.“ Tut er es, sage ich: „Danke.“ Bleibt er stattdessen stehen und guckt mich zweifelnd an, setze ich vielleicht sogar noch ein „Bitte.“ hinterher. Seltsamerweise reagiert Cookie auch noch. Smilie: ;)

Ist das verrückt? Bin ich eine schlechte Anführerin, weil ich meinen Hund bitte, etwas zu tun, statt ihm ein Kommando zu geben? Wird mein Hund mich bald „dominieren“, weil er mich nicht mehr ernst nimmt?

Ich behaupte: Nein.
Wenn ich mich mit einer höflichen Ansprache an meine Hunde wende, tue ich das nicht primär, weil mein Hund dieses zu schätzen weiß. Ich könnte auch freundlich „Staubsauger“ sagen und mich in einer bestimmten Art und Weise nach vorn beugen oder mit dem Finger auf den Boden zeigen und mein Hund würde sich hinlegen. Er reagiert auf meine Gestik, meine Körperhaltung, meine Energie – oder eben auf ein bestimmtes Schlüsselwort, das in der Aussage steckt.
Ich nutze diese oder eine ähnliche Wortwahl vor allem für mich selbst. Ich mache mir damit immer wieder bewusst, dass ich vor mir einen Beziehungs- und Kommunikationspartner habe. Ich drücke damit Wertschätzung für das Wesen aus, mit dem ich zusammenlebe und das bereit ist, dem zu folgen, was ich sage. Mir zu folgen.

Vielleicht fragen Sie sich, was an dieser Form der Kommunikation sprachfrei ist. Sprachfrei arbeite ich im Bereich der Führung, dort, wo es wirklich auf etwas ankommt, ich den Hund also z.B. ernsthaft in seinem Raum einschränken will. Geht es mir nur darum, einen Hund zum Ablegen zu bewegen, weil er mir zu unruhig ist oder im Weg steht, kann ich somit eine freundliche Ansprache wählen. Ich mache mir damit nicht den Respekt, den ich mir im Bereich der Führung erarbeite, kaputt. Reagiert mein Hund partout nicht auf ruhige Ansprache, bin ich natürlich flexibel, Elemente aus dem Bereich der Führung hinzuzunehmen (z.B. räumliche Einschränkung durch ruhiges, aber konsequentes Schieben auf den Platz), um meiner Bitte Nachdruck zu verleihen.

Natürlich komme ich zum selben Ergebnis, wenn ich „Platz“ sage und der Hund legt sich hin. Vielleicht klappt es sogar schneller, wenn ich nicht „drumherum rede“.
Ich finde es aber netter, in Situationen, wo es nicht auf das korrekte, zügige Ausführen eines Kommandos geht, den Hund freundlich anzusprechen. Oder eben eine Bitte zu formulieren. Ich muss keinen „Stress machen“, wenn es gerade um so wenig geht. (Befinden wir uns an einer Hauptstraße und mein Rudel will schon einmal vorspringen, lege ich übrigens nicht mehr viel Wert auf Höflichkeit. Smilie: ;) )
Damit mache ich mich nicht „klein“ oder überlasse es dem Hund, es zu befolgen oder nicht. Ich weiß, dass ich meinen „Willen“ durchsetzen könnte – und Cookie weiß es auch. Aus diesem Grund stellt keiner von uns beiden die Grundpfeiler unserer Beziehung in Frage.

Und nicht, dass es wirklich wichtig wäre, aber: Es beeindruckt doch immer wieder Außenstehende,wenn sie sehen, dass ein Hund auf ruhig ausgesprochene, komplette Sätze reagiert – so als würde er jedes Wort verstehen. Ich nutze den Effekt besonders gern in der Schule, um meinen SchülerInnen zu zeigen, dass auch höfliche Kommunikation zum Ziel führt. Smilie: ;)

Ich verspreche Ihnen: Es macht Spaß, so mit seinem Hund zu reden und zu sehen, dass er reagiert. Es ist schön, den Hund nicht nur auf Reiz-Reaktion zu reduzieren, sondern ihn als Kommunikationspartner zu erleben und ernstzunehmen. Damit profitiert Ihr Hund letztendlich auch davon, dass Sie diese Form der Ansprache wählen. Weil Sie ihm ein stückweit das Bild, das Sie von ihm haben, transportieren. Probieren Sie es aus.

Und bitte: Berichten Sie davon. Danke. Smilie: :)

Kategorie(n): Allgemein

Der spielt nicht!

Häufig höre ich von Hundebesitzern, dass ihre Hunde nicht spielen. Zumindest nicht mit ihnen. Sie berichten, dass ihre Hunde sich weder über den Einsatz von Futter, noch über Motivationsobjekte wie Quietschies oder Körpereinsatz (Veränderung der Körperhaltung, Spielsignale) zum Spielen motivieren lassen.

Wenn Sie mir solche Dinge über Ihren Hund schildern, stellt sich mir nicht zuerst die Frage, was man alternativ dem Hund anbieten könnte oder bei ihm verändern muss, damit er sich spielbereit zeigt. Zunächst frage ich: „Wer spielt nicht? Ihr Hund? Oder Sie selbst?“
Wie so häufig ist die eigentliche Ursache nicht unbedingt beim Hund zu finden – sondern unter Umständen beim Halter.
Vierbeiner, die mit einem Menschen leben, der selbst nicht spielen möchte, werden zwangsläufig auch nicht spielen. Zumindest nicht mit ihren Menschen – sondern stattdessen z.B. mit anderen Hunden. Aber aus dem Spiel mit anderen Hunden entsteht nunmal keine tiefe Mensch-Hund-Beziehung…

Gründe, warum ein Hundehalter nicht mit seinem Hund spielt, gibt es zahlreiche: Vielleicht weiß der Mensch nicht um die Möglichkeiten, mit einem Hund zu spielen. Spiel kann nicht nur Sozialspiel (Raufen) sein, sondern auch über den Einsatz von Motivationsobjekten oder Futter geschehen.
Vielleicht ist der Halter ein Mensch, der sich nicht das Recht zugesteht, mal „Fünfe gerade sein“ zu lassen. Sein Leben besteht unter Umständen vor allem aus Arbeit und er gönnt sich selbst keine Auszeiten. Wie aber kann ein Mensch, der sich selbst nicht das Recht gibt, auszuspannen, dieses seinem Hund ermöglichen?
Ich habe von Kunden auch gehört, dass es ihnen peinlich ist, in der Öffentlichkeit (z.B. im Park) körperaktiv mit ihrem Hund zu spielen. Ein Erwachsener, der sich auf dem Boden mit seinem Hund herumrollt – wo gibt’s denn sowas? (Auf dem Herkulesberg in Köln trifft man solche Leute, habe ich mir sagen lassen Smilie: ;))
Möglicherweise reicht die Motivation dazu, mit dem Wurfarm Bälle zu schießen… aber ist das tatsächlich Spielen mit dem Hund? Ist es nicht vielmehr Spiel weg vom Menschen – einfach weil dies die Konsequenz der Bewegung ist, die mit dem Wurfarm vollzogen wird? (siehe auch Damit der Hund müde wird )

Warum beharre ich so sehr auf das Thema „Spiel“? Warum hake ich nach, statt mich damit abzufinden, dass es Hunde gibt, die überhaupt nicht spielen?
Spiel ist der Ausgleich zur Führung. Der Hund hat ein Anrecht darauf zu spielen, weil er dort Freiräume gewährt bekommt, wo sonst klare Grenzen sind. Im Spiel erzielt der Hund (Beute-)Erfolge. Spiel vertieft die Beziehung.
Das alles erfordert aber die Bereitschaft dazu, sich auch mal „richtig zum Horst“ zu machen. Spiel ist geprägt durch Übertriebenheit. Schauen wir uns Hunde beim Spielen an, empfinden wir Faszination für ihre Bewegungsabläufe, lachen über die Geräusche und Spielgesichter. „Ja, aber das sind schließlich Hunde!“, sagen Sie vielleicht einerseits. „Die können das machen, das ist nicht peinlich. Aber wenn ich sowas mache, dann ist es das!“ Andererseits wundern Sie sich, dass Ihr Hund, wenn Sie ihn aus dem Spiel abrufen, nicht zu Ihnen kommen möchte. Könnte hier vielleicht irgendein kleiner Zusammenhang bestehen? Smilie: ;)

So. Wer spielt denn nun nicht. Sie? Oder Ihr Hund? Wenn Ihr Hund mit anderen Hunden spielt und mit Ihnen nicht, dann liegt es in irgendeiner Form an Ihnen oder der Mensch-Hund-Beziehung. Das bedeutet nicht, dass diese grundsätzlich schlecht ist. Aber sie ist möglicherweise nicht so in Balance, wie sie es im Idealfall sein sollte. Vielleicht ist der Bereich der Führung zu groß. Vielleicht senden Sie keine eindeutigen Signale, die dem Hund eine Spielbereitschaft anzeigen. Unter Umständen müssen Sie sich erst einmal über alle Möglichkeiten des gemeinsamen Spiels klar werden. Vielleicht müssen Sie sich selbst zunächst das Recht zugestehen, das innere Kind herauszulassen und mit Ihrem Hund zu toben. Vielleicht müssen Sie zunächst einmal den Mut schöpfen, sich für Ihren Hund in der Öffentlichkeit ein wenig zum Deppen zu machen. Das mag nicht leicht sein, aber sicherlich ist es das wert. Ihr Hund wird es Ihnen mit Vertrauen und Respekt an anderer Stelle danken.

Denn schlussendlich gilt: Was kümmeren Sie die Blicke anderer Menschen, wenn Sie einmal in die erwartungsvollen Augen Ihres Hundes gesehen habe, kurz bevor Sie ins Spiel einsteigen?

Kategorie(n): Spiel

Hunde von Trainern…

…müssen doch perfekt hören, oder? Denn wenn ein Trainer seinen eigenen Hund schon nicht im Griff hat – wie soll er dann kompetent Wissen an Halter vermitteln?

So dachte ich monatelang. Aus diesem Grund wollte ich nicht, dass jemand in meinem Hundepark weiß, dass ich (damals noch angehende) Hundetrainerin bin.
Ich denke, ich muss nicht erwähnen, dass ich dieses Bedürfnis nicht so sehr zu den Zeiten hatte, wenn Cookie und Monster wie selbstverständlich bei Hundebegegnungen auf meiner Höhe blieben und auf ein „Ok“ warteten, um zu anderen Hunden hinlaufen zu dürfen.
Auch nicht zu den Zeiten, während derer wir spielten wie der wilde Watz und die beiden sich für keinen anderen Hund interessierten.
Und natürlich auch dann nicht, wenn fremde Menschen sie locken wollten und sie völlig gleichgültig an ihnen vorbei – und zu mir liefen.

Es ging eher um die Momente, wenn ich meinen beiden Jungs klar untersagte, zu einem Hund hinzulaufen – sie mich kurz fragend anblickten, abzuwägen schienen – und dann doch mit wehenden Ohren (und mir in meiner Vorstellung die Mittelkralle zeigend) hinrannten.
Oder wenn Cookie sich an einem köstlichen Menschenhaufen im Gebüsch zu schaffen machte und ich wie ein Rumpelstilzchen um den Busch herumsprang und laut „Pfuuuuuuiiiiiiii“ brüllte, weil ich ihm durch das dichte Gestrüpp einfach nicht folgen konnten.
Ab und zu auch, wenn Cookie an fremden Leuten (und deren Taschen) eher interessiert war an mir und die anderen Menschen mich freundlich anlächelten und fragten: „Der ist sicher noch jung, oder?“ Und ich laut: „Ja!“ sagte und leise murmelte „Zwei Jahre…“

Aber es ist höchste Zeit, mit falschen Vorstellungen über Hunde von Trainern aufzuräumen!
Es gibt Hunde, die prima „hören“. Diese Hunde können Trainern gehören oder ganz normalen Hundehaltern. Es gibt Hunde, die nicht so gut hören. Diese Hunde können Trainern gehören. Oder ganz normalen Hundehaltern Smilie: ;)

Überhaupt: Was bedeutet es denn, wenn ein Hund gut „hört“? Kann ein Hund überhaupt gut hören, wenn ich sprachfrei mit ihm kommuniziere? Was, wenn ein Halter, wie ich beispielsweise, körpersprachlich mit seinem Hund kommuniziert und dieser Hund folgt ihm nicht? Sieht er dann nicht gut?

Allgemein wird als „gut hören“ verstanden, wenn ein Hund seinem Halter folgt. Wenn der Hund sich also wenig bis gar nicht gegen das auflehnt, was sein Mensch ihm sagt. Anders ausgedrückt, vielleicht ein wenig plakativer: Wenn er funktioniert. (Ich erwähne an dieser Stelle nur ganz kurz, dass es natürlich Hunde gibt, die eher bereit sind, dem Menschen ohne Widerspruch zu folgen und solche, die ihre Menschen fordern.)

Sprechen wir von „Funktionieren“, sollten wir uns folgendes bewusst machen:
Ein Hund ist ein Lebewesen, kein Automat.
Fallen Konditionierungen weg, geht es nicht mehr um Funktionieren oder nicht, es geht um Kommunikation und Beziehung.

Wer würde von seinem Partner sagen, dass er gerade „nicht gut hört“?

Ich setze einen anderen Bezugsrahmen, wenn ich mich von Funktionieren und Nicht-Funktionieren löse. In einer Beziehung erwarte ich nicht von einem Partner, dass er alles tut, was ich ihm sage. Ich gestehe ihm eine eigene Meinung zu. (Obwohl es mir, zugegebenermaßen leichter fällt, wenn diese mit meiner übereinstimmt Smilie: ;))  Ich äußere eine Erwartungshaltung, mein Partner ebenfalls. Damit will ich nicht sagen, dass die Mensch-Hund-Beziehung mit einer gleichberechtigten Partnerschaft übereinstimmt. Aber sie ist dennoch eine Partnerschaft, in dem ich den Hund mit seinen Bedürfnissen wahrnehme. Als Mensch steht es mir zu, ihn manchmal in seinen Bedürfnissen einzuschränken (weil anders gemeinsames Leben in der Zivilisation nicht funktioniert)  – und ihnen an anderer Stelle nachzukommen.

Um dem Hund meine Bedürfnisse, bzw. meine Erwartungshaltung an ihn zu vermitteln, muss ich eine klare Kommunikationform wählen. Selbst wenn ich mir große Mühe gebe, kann Kommunikation misslingen, weil es z.B. Störfaktoren (wie eine hohe Reizlage, z.B. durch Menschen, Hunde, andere Umwelteinflüsse) gibt. So kann meine Botschaft an den Hund u.U. gar nicht, oder nicht deutlich genug, ankommen. Andererseits kommt sie vielleicht an – aber der Hund entscheidet sich dafür, etwas anderes zu tun, nach dem Motto: „Frauchen, ist ja ganz prima, dass Du mich jetzt aus diesem Busch rausholen möchtest. Ich nehme trotzdem noch schnell einen Bissen von dieser Köstlichkeit.“ Smilie: ;)
Es ist kein entscheidendes Kriterium für die Kompetenz eines Trainers, ob sein Hund gut „hört“, d.h. immer funktioniert. Ansatzpunkt, einen Trainer kritisch zu betrachten, sollte meiner Meinung nach sein, ob er einen Hund als Beziehungspartner wahrnimmt. Ob er eine dem Hund und der jeweiligen Situation angepasste Kommunikationsform wählt, dem Hund seine Erwartungen transparent zu machen. Ob er dabei Störfaktoren erkennt und sie umgehen kann. Und ob er an anderer Stelle auch mal „Fünfe gerade sein“ lässt, weil er einen Hund mit seinen Bedürfnissen wahrnimmt.

Bei all den oben genannten Kriterien ist erst einmal unerheblich ob es sich um seinen eigenen Hund handelt oder um einen Hund im Training.
Was man nicht vergessen sollte: Wir Trainer sind bei unseren eigenen Hunden eben auch nur Hundehalter – und damit ein ganzes Stück betriebsblind.
Das ist tatsächlich nicht hinderlich, sondern hilfreich…weil wir so überzeugend sagen können: „Ich verstehe Sie sehr gut, weil ich diese Situation selbst kenne!“ Und glauben Sie mir, meine Hunde bieten mir viele Erfahrungen, aus denen heraus ich diese Aussage treffen kann!

Besonders während „schwieriger“ Zeiten versuche ich, Spaziergänge nicht mehr als gelungen oder misslungen einzuteilen, meine Hunde nicht als funktionierend oder nicht funktionierend zu sehen. Ich versuche, ganz bei ihnen zu sein und unsere Kommunikation zu beobachten, zu prüfen und an der ein oder anderen Stelle zu schärfen. So muss ich mich nicht genieren, als Trainerin Hunde zu haben, die nicht perfekt sind. Stattdessen kann ich stolz darauf sein, Hunde zu haben, die in vierlei Hinsicht die besten Lehrmeister für mich sind.

Kategorie(n): Allgemein, Führung, Training

Hilfe, der dominiert mich!

Heute stellte Cookie seine Vorderpfote auf mein Bein und mir war klar – Hilfe, mein Hund dominiert mich! Anlass genug, meinen nächsten Artikel über das Thema ‚Dominanz‘ zu schreiben.
Was aber ist ein dominanter Hund? Schaut man die allgemeine Bedeutung des Begriffs „Dominanz“ im Internet nach, finden sich Synonyme wie „Vorherrschaft“ oder „Überlegenheit“. Sammelt man Aussagen auf verschiedenen Webseiten, was ein dominanter Hund ist, findet sich dort:

Ein Hund der,
– seine Besitzer in Frage stellt, indem er nicht auf Kommandos hört
– Menschen auffordert, ihn zu streicheln
– entscheidet, wann Zeit zum Spielen ist
– Menschen nicht an sein Futter lässt
– sein Territorium verteidigt
– in Hundebegegnungen seine Überlegenheit präsentiert*

*Den Punkt möchte ich an dieser Stelle etwas vernachlässigen. Hunde, die wirklich überlegen sind und dieses ruhig und souverän zeigen, sind selten Problemhunde. Die, die sich vermeintlich „dominant“ verhalten, indem sie häufig Ärger anfangen, kläffend in der Leine hängen usw. sind alles andere als wirklich überlegen.

Betrachten wir die anderen Punkte hingegen genauer. Alle beinhalten neben dem Hund einen weiteren, entscheidenden Faktor, der nur nebenbei anklingt, nämlich die Rolle des Menschen!
Gibt es auf der einen Seite einen Hund, der seinen Mensch auffordert, ihn zu streicheln, so gibt es auf der anderen Seite den Menschen, der dem nachgibt. Folgt ein Hund einerseits seinem Menschen nicht, so setzt der Mensch sich andererseits nicht durch. Entscheidet der Hund immer über Zeitpunkt zum Spielen und Fressen, überlässt der Halter dem Hund diese Entscheidungen. Das alles findet sich nicht in dem Wort „Dominanz“ – weil es nur die eine Seite der Medaille, den herausfordernden, in Frage stellenden Hund, beschreibt.

Was gemeinhin als „Dominanz“ beschrieben wird, ist für mich etwas ganz anderes: Orientierungslosigkeit.
Der Hund ist nicht an seinem Menschen orientiert. Kann der Mensch dem Hund keine Sicherheit geben, indem er ihm klar zeigt, dass er sich um Haus und Hof kümmert, dass er Ressourcen verwaltet – wie soll sich sein Hund auch an ihm orientieren? Wie soll er seinem Menschen Respekt zollen, wenn dieser ihn nicht einfordert? Sich möglicherweise nicht das Recht gibt, dieses zu tun?
Natürlich gibt es Hunde, die sich mehr in den Vordergrund stellen als andere, die versuchen, ihre Menschen um den Finger zu wickeln und in Frage stellen. Aber das ist doch keine Dominanz! Wie sehr verändert sich die Sicht auf die Dinge, wenn wir diese Verhaltensweisen als ein Erbitten um klare Strukturen bezeichnen? Oder als eine Nachfrage nach Regeln?
Einem Jugendlichen kann man keinen Vorwurf machen, dass er zu spät nach Hause kommt, wenn ihm vorher nicht gesagt wurde, wann er zu Hause sein soll. Ein Kind weiß nur, dass es keinen Schokoladenriegel im Supermarkt klauen darf, wenn es um Gesetze weiß. Und wie oft begehen Kinder oder Jugendliche Fehltritte, weil sie es a) nicht besser wissen oder b) Grenzen antesten. Hier ist es Aufgabe von Eltern und Gesellschaft, Grenzen klar zu setzen und darauf zu bestehen. Sind sie nicht klar und konsequent, können sie nicht geachtet werden.

Ähnlich ist es in der Welt der Hunde. Hunde leben in Abhängigkeit des Menschen – einer einseitigen Abhängigkeit. Sie können zwar als Straßenhunde überleben – aber sobald sie in einem Haushalt leben, müssen sie sich ihrem Halter anpassen. Und darin sind sie wahre Meister! Dennoch: Um sich an etwas anzupassen, muss es einen Rahmen geben.
Es gibt Hunde, die glauben, sie seien dafür verantwortlich, das Haus zu bewachen – oder gar ihren Menschen. Aus diesem Glauben heraus entsteht Fehlverhalten bis hin zu Beißunfällen – aber vom emotionalen Empfinden macht es einen gewaltigen Unterschied, ob ich den Grund in einem Dominanzstreben sehe oder ob ich dem Hund zugestehe, dass er das Verhalten nur zeigt, weil er es nicht besser weiß.
Nehmen Sie mal kurz diese Sichtweise ein: Wie verzweifelt muss ein Hund sein, der glaubt, er müsse einen Menschen beißen?!
Kein Hund möchte seinen Menschen anführen. Einige Hunde glauben nur, dass sie es müssten, weil der Mensch seinen „Job“ nicht erledigt.

Schaut man sich diese „Problemhunde“, die „dominanten“ Hunde an: Finden Sie, dass sie entspannt aussehen? Ich habe Bilder von angespannten Hunden vor Augen, die nicht relaxen können, weil sie sich für alles verantwortlich fühlen. Es ist Aufgabe des Menschen – dieses zu ändern. Und bitte nicht durch so genannte „Unterordnungsübungen„. Smilie: ;)

Und was Cookie angeht: Er legt seinen Vorderpfote auf mein Bein oder sein Kopf auf mein Knie. Im Bett macht er sich so breit, dass ich manchmal mit Rückenschmerzen aufwache. Aber weil er und ich um die Regeln unseres Zusammenlebens wissen, nimmt er sich die Möglichkeit, sie mal kurz anzutesten – und ich nehme mir die Möglichkeit, dieses ganz flexibel mal zu dulden – und ihn mal als Reaktion sehr deutlich auf seinen Liegeplatz zu „verfrachten“.
Damit können wir beide sehr entspannt leben.

Kategorie(n): Führung

Damit der Hund müde wird…

„Oh, lassen Sie die spielen. Dann sind die gleich schön müde und schlafen gut.“
Wie oft habe ich diesen Satz schon gehört.

Mir scheint es häufig so, als sei das einzige Ziel von Hundebesitzern, ihre Hunde müde zu sehen. Der Tag fängt an – und der erste Gedanke gilt scheinbar der Überlegung, wie man den Hund am besten wieder zum Schlafen bekommt. Nur warum dann ein lebendiger Hund? Es gibt sehr schöne „Rassehunde“ mit einem Knopf im Ohr… Smilie: ;)
Aber ich möchte Hundebesitzern kein Unrecht tun. Häufig steht nicht das Ruhebedürfnis der Menschen im Vordergrund, sondern tatsächlich der Wunsch nach einem zufriedenen, ausgelasteten Hund. Ich behaupte jedoch, dass das geeignete Kriterium für einen zufriedenen Hund nicht unbedingt „müde“ lautet…

Viele Wege führen nach Rom…oder zum Ziel „müder Hund“. Was einer näheren Beleuchtung bedarf, ist der WEG dorthin.
Denn was…wenn der Weg das Ziel ist?
Plötzlich geht es in den Überlegungen nicht primär darum, dass der Hund müde wird, sondern was der Mensch mit ihm macht, damit der Hund ausgelastet ist.

Eine Frisbee zu fangen erschöpft einen Hund. Bällchen werfen auch. Wobei letzteres noch einmal ein umfangreiches anderes Thema ist. (Weil es eng mit dem Thema „Abhängigkeit von einem Motivationsobjekt bzw. Hetzen von diesem, bzw. daraus resultierendem unerwünschten Jagdverhalten“ verknüpft ist).
Beide Aktivitäten haben eines gemeinsam: Sie treiben den Hund weg vom Menschen. Die Bewegung des Menschen geht immer weg von ihm. Der Hund rennt hinterher – und lernt, dass er den „Kick“ fernab vom Menschen bekommt. Schade, denn so entsteht nicht nur allzu schnell das Problem „Wie bekomme ich meinen Hund von da hinten abgerufen“, der Mensch degradiert sich auch zur Wurfmaschine. Damit hat der Mensch im Spaßerleben seinen Hundes nur eine verschwindend kleine Rolle. An anderer Stelle, wenn es um den Bereich „Führung“ geht, sieht der Hund keine Notwendigkeit, sich seinem Menschen anzuschließen – weil aus der Bewegung „weg vom Halter“ keine Beziehung entstanden ist. Beziehung bedarf Nähe!

Was sind mögliche Alternativen?
Es bieten sich solche Spiele und Beschäftigungsmöglichkeiten an, die körpernah passieren und bei denen der Mensch somit eine bedeutende Rolle einnimmt: Futtermotivierte Spiele, die z.B. den bekannten „Unterordnungsübungen“ (siehe Vom Sinn und Unsinn der Unterordnung) entstammen, aber sprachfrei passieren; bei denen der Hund also mithilfe des Leckerchens in Positionen wie „Sitz“ oder „Platz“ zunächst „gezogen“ wird, durch die Beine läuft usw. Oder aber Sozial- und Bewegungsspiele, wie gemeinsames Laufen, Fangen und Raufen. Natürlich ist es sinnvoll, auch Motivationsobjekte wie Quietischies, Zerrseile usw. einzusetzen. Dabei geschieht der Einsatz der Objekte immer in Abhängigkeit von der Nähe des Menschen. Auch wenn der Hund ein Objekt „gewinnt“, so wird es nur kurz neben dem Menschen  „aufgetitscht“, bevor es der Hund „erbeutet“. Zwar kann er dann damit Raum gewinnen, indem er seine Beute stolz davon trägt – aber er kehrt zum Menschen zurück, weil er weiß, dass dort das Spiel weiter geht. Den Kick findet der Hund hier – anders als beim Bällchen fangen – im Spiel mit seinem Halter.
An anderer Stelle kann der Hund auch weiteren Raum durchschreiten, um Bewegung in größerer Distanz zum Menschen zu bekommen. Dieses kann z.B. durch Apportieren, also die gemeinsame „Jagd“ (von Futterbeuteln), realisiert werden. Es gilt dabei – die Jagd geschieht in Abhängigkeit vom Menschen.

Der Halter hat am Ende des Tages auch einen ausgelasteten Hund – aber der Spaß, der zwischen Aufstehen und Schlafen erfolgt, für den hat der Mensch gesorgt.

So entsteht Auslastung, aber vor allem Beziehung.

Kategorie(n): Spiel, Training

Der Mythos „Leinenaggression“

Wie selbstverständlich benutzen Hundehalter den Begriff „Leinenaggression“. Gemeint ist: Trifft der Hund an der Leine auf Artgenossen, hängt er z.B. bellend vor seinem Menschen in der Leine oder schnappt, sichtlich angespannt, im Vorbeigehen nach anderen Hunden. Besonders betont wird das Wort Leine, da der Hund ohne Leine keine nennenswerten Probleme mit Artgenossen hat.

Warum spreche ich von einem Mythos? Weil das Problem nicht an der Leine als solcher liegt. Hunde mit der geschilderten Problematik haben an der Schleppleine zumeist keine Probleme mit Artgenossen. Voraussetzung ist, dass die Schleppleine richtig eingesetzt wird. Der große Unterschied zwischen normaler Führleine und Schleppleine besteht in der Länge.

Hund brauchen Raum, um artgerecht zu kommunizieren. Allein die Art und Weise, wie Raum durchschritten, bzw. eingeengt wird, sagt über einen Hund und seine Beziehungen zu Artgenossen, bzw. auch zu seinen Menschen, aus. Frontale Begegnungen an kurzer Leine sind entgegen der Natur des Hundes. Diese würden, könnten sie wählen (und tun es oft, wenn sie tatsächlich können) bei einer Begegnung einen Bogen laufen, Abstand halten und dann, bei Interesse, Kontakt aufnehmen. Diese Möglichkeit nimmt ihnen die Leine. Sie treffen aufeinander und haben keine Ausweichmöglichkeiten. Was passiert nun, wenn wenigstens einer der beiden Hunde kein Interesse an Kontakt hat? Richtig. Er äußert dieses unter Umständen sehr deutlich – und laut.

Hat der dazugehörige Mensch das Verhalten seines Hundes bereits mehrmals erlebt und sorgt sich vor genau diesem, reagiert er vielleicht so, dass er prophylaktisch die Leine kürzer nimmt, z.B. mit der Absicht, seinen Hund besser kontrollieren zu können. Was der Hund erlebt ist: Wahrnehmung des Artgenossen, Angespanntheit: „Was ist das wohl für einer?“ => Mensch greift in die Leine, Hund fühlt Einwirkung und denkt: „Wusste ich’s doch, mit dem da vorne stimmt was nicht.“ Und prompt folgen Bellen und dazugehörige Verhaltensweisen. Oder der Hund reagiert auf den Druck der Leine mit Gegendruck, hängt sich erst recht in der Leine, fühlt sich noch beengter und wird so immer heftiger in seinen Reaktionen.

Das Verhalten, jedoch nicht das Motiv, ist ähnlich, wenn ein Hund Kontakt aufnehmen möchte und durch die Leine darin behindert wird. In diesem Fall sind Lautäußerungen, in die Leine springen usw. jedoch als Übersprungshandlung zu bewerten.

Bei der nächsten Hundebegenung ist der Mensch sich sicher : „Es geht wieder schief.“ Und das wird es vermutlich auch, weil ein Kreislauf angefangen hat. Bald reicht die Anspannung des Menschen, vielleicht ein kaum merkliches Kürzernehmen der Leine, um das Verhaltensmuster beim Hund wieder hervorzurufen.

Nur der Mensch kann diesen Kreislauf durchbrechen. Aber wie?

Der Hund muss wieder Raum haben, um souverän, artgerecht kommunizieren zu können. Raum gibt es für den Hund nicht nur nach vorne (Interessant, dass unter „Freilauf“ für den Hund meistens Freilauf nach vorne verstanden wird, oder?) – sondern auch nach hinten. Um Raum zu geben, muss der Mensch Mut finden, seinem Hund zu vertrauen. Häufig besteht die Angst, dass der Hund Beschädigungsabsichten hat und es nicht nur beim Bellen oder Schnappen bleibt. Die Abläufe müssen im Training durch eine Ausgewogenheit von Einschränkung des Raumes mit Elementen der Führung einerseits, und andererseits Geben von Raum, Umlenkung der Aufmerksamkeit des Hundes auf Spiel (mit Leckerchen und Motivationsobjekten) mit seinem Menschen  erarbeitet werden.

Dabei lernt der Hund: „Über den Raum bestimmt in erster Linie mein Mensch. Der kümmert sich um wichtige Angelegenheiten.“ Andererseits bekommt der Hund überhaupt wieder die Möglichkeit, sich auszudrücken. Und er kann über die genannten Motivationsbrücken in Kontakt zu seinem Menschen treten, bzw. bleiben und bei ihm Orientierung finden.

Der erste, elementarste Schritt in die Richtung ist und bleibt: Die Leine muss länger werden!

Kategorie(n): Führung

Vom Sinn und Unsinn der Unterordnung

Auf einer Tierheimseite las ich neulich die Beschreibung zu einer „dominanten“ Hündin: Sie solle „…durch Unterordnungsübungen regelmäßig daran erinnert werden, dass sie nicht das Zepter in der Hand hält.“

Sofort entstanden in meinem Kopf Bilder von „Sitz.Bleib.Platz.Komm.“-Übungen und ich musste schmunzeln. Früher habe ich das Wort „Unterordnung“ selbst unkritisch in diesem Zusammenhang benutzt. Heute ist es für mich ganz anders belegt.

Unterordnung… Unter – Ordnung. Der Hund ordnet sich unter den Menschen. Nach meinem Verständnis freiwillig. Weil er es möchte. Weil er vom Menschen geführt werden möchte.

Die so genannten „Unterordnungsübungen“ stehen für mich für in einer Reihe mit anderen Tricks, wie „Pfötchen geben“, „Turn around“, usw. Woher nur kommt der Gedanke, dass ein Hund sich beim Kommando „Sitz“ mehr unterordnet als beim Kommando „Männchen“?

Der Aufbau der „Unterordnungsübungen“ geschieht normalerweise über Futter und wird so konditioniert. Aber hier ist der Haken: Ehrliche Unterordnungsbereitschaft kann man nicht konditionieren! Sie muss vom Hund selbst kommen.

Warum sonst sieht und hört man häufig von dem Phänomen, dass Hunde auf dem Hundeplatz „funktionieren“ – und zwar nur dort. Wahre Unterordnung ist nicht ortsgebunden.

In meiner Arbeit mit Hunden nehmen sie auch Positionen wie im „Sitz“ oder „Platz“ ein. Der Aufbau passiert (wie generell üblich) über den Einsatz von Futter (Leckerchen). Damit fallen nach meiner Überzeugung diese „Übungen“ in den Bereich des futtermotivierten Spiels. Mithilfe von Futter steigere ich die Motivation des Hundes, mit mir (oder dem Halter) in Kontakt zu treten und gemeinsam Tricks vorzuführen. Das Ganze passiert sprachfrei – der Hund folgt nur dem Futterstück. Dieser Ansatzpunkt unterscheidet sich vom Erarbeiten eines Kommandos vor allem durch die Haltung des Menschen, die dahinter steht: Es geht nicht um Ergebnisorientierung (z.B. „Der Hund soll sitzen“Smilie: ;), sondern um gemeinsames Miteinander nah am Körper.

Später kann ich, wenn nötig, ein Kommando addieren.Tue ich dieses, konditioniere ich den Hund auch – aber dahinter steht ein anderes Konstrukt: Ich befinde mich gedanklich im Spiel bzw. in der Teamarbeit – nicht im Bereich der Führung. Ich versuche nicht, Respekt zu „erkaufen“.

Ehrliche Unterordnung hingegen sehe ich z.B., wenn ein Hund sich seinem Menschen anschließt, sich „hinten anordnet“ (z.B. hinter ihm läuft), seinen Menschen „brenzlige Situationen“ regeln lässt und auf die Präsenz seines Menschen reagiert. Die Bereitschaft ist nicht konditionierbar, sondern wird in einer gesunden Mensch-Hund-Beziehung dem Menschen entgegengebracht. Sie entsteht durch eine Ausgewogenheit zwischen Spiel und Führung.

Und was das Thema „dominanter Hund“ angeht… das ist wieder eine andere Geschichte. Smilie: :)

Kategorie(n): Führung, Training

Wie Du mir, so ich Dir….

oder…Warum Hunde in Schulen gehören.

Cookie hat seinen ersten Tag als Schulhund an der Förderschule, an der ich arbeite. Obwohl ich durch meine Ausbildung Wissen über Hunde habe, Schule zu meinem Alltag gehört und ich bevorzugte Charaktereigenschaften für Schulhunde benennen kann, ist es mir nicht möglich, eine wirklich sichere Prognose zu geben, wie der erste Tag heute verlaufen wird. Natürlich mache ich mir keine Sorgen, dass meinen Schülern Schaden entsteht. Dennoch sind viele Fragen offen: Wie stressig wird mein Hund die Schule und den Umgang mit den Schülern erleben? Wie wird Cookie mit dem Stress umgehen können? Wie gut können die Schüler die erarbeiteten Regeln praktisch umsetzen? All das muss sich noch zeigen.

Nach einer kurzen Wartezeit im Auto darf Cookie die Schule betreten. Ich habe mit den Schülern in der Zwischenzeit noch einmal Verhaltensregeln im Umgang mit Hunden wiederholt. Die Schüler sitzen im Stuhlkreis, als ich hereinkomme. Ich setze mich vor sie und lege eine Hundedecke neben mich. Cookie hibbelt herum und ist anfangs etwas nervös, legt sich aber bald ab und schaut die Schüler neugierig an. Ich fange an, den Schülern ein paar Tricks zu zeigen; der Keks macht bereitwillig mit und scheint „gut angekommen“ zu sein.

Ich erlaube den Schülern, Cookie nacheinander zu begrüßen. Der erste Schüler steht auf, geht auf meinen Hund zu, sagt „Hallo Cookie“ und gibt ihm ein Leckerchen. Zwei weitere Schüler folgen und Cookie ist an allen interessiert und ihnen zugewandt. Dann folgt Alex (Name geändert). Er steht auf, schnauft entschlossen, zieht die Hose hoch, greift ein Leckerchen und geht beherzt, mit großen, stampfenden Schritten los, bremst kurz vor Cookie ab und beugt sich über ihn, um ihm das Futter zu geben. Das alles mit herzensguten Absichten – aber leider entgegen aller mit den Schülern besprochenen Regeln, wie man sich einem Hund nähern sollte. Das weiß Cookie auch. Statt das Leckerchen zu nehmen, knurrt er den Jungen an, ganz nach dem Motto: „Nee, so mag ich das aber gar nicht!“ Alex wird – verständlicherweise – etwas nervös. Zwar weiß ich, dass der Keks nicht mehr will als Abstand, und dass er niemals schnappen wird – aber für meine Schüler ist es schließlich die erste Begegnung! So habe ich mir das nicht vorgestellt… Ein wenig bin auch ich enttäuscht und zweifle, ob mein Hund als Schulhund wirklich geeignet ist.

Ich bitte Alex, sich auf den Boden zu setzen und sich etwas zurückzulehnen, denn seine Körperhaltung ist immer noch vorgebeugt. Gemeinsam sprechen wir darüber, was seine Intention bei der Annäherung war, und was Cookie stattdessen verstanden hat. Alex murmelt: „Der Hund mag mich nicht. Bei den anderen hat er das nicht gemacht. Er denkt, dass ich anders bin.“ Er ist spürbar enttäuscht und wird traurig. Mein Hund will sich Alex immernoch nicht nähern. Mir tut mein verunsicherter Schüler leid. Zunächst kann ich aber nicht mehr machen, als ihm zu erklären, dass es so etwas wie ein Missverständnis zwischen Cookie und ihm gab, es nicht an ihm als Person liegt. Und dass wir später einen neuen Versuch starten.

Alex setzt sich auf meine Aufforderung hin wieder auf seinen Platz. Cookie und ich zeigen noch ein paar Tricks. Er ist wieder ganz locker und „voll bei der Sache.“ Ich werfe nach und nach Leckerchen in Alex‘ Richtung, die der Keks aufnimmt. Und plötzlich findet er sich neben Alex wieder. Eine kurze Kontaktaufnahme – und auf einmal scheint der Schüler gar nicht mehr so bedrohlich für meinen Hund zu sein. So ruhig, wie er jetzt da sitzt. Ich bitte den Jungen, seine Hand auszustrecken, halte sie fest und lege ein Leckerchen hinein. Und Cookie nimmt es! Danach noch ein weiteres. Alex ist beruhigt, ein Lächeln zaubert sich auf sein Gesicht.

Kurze Zeit später bereiten wir das Frühstück zu und Cookie muss aus hygienischen Gründen in den Nebenraum. Alex stellt sich in den Türrahmen, um ihn etwas zu beobachten – vorsichtshalber wählt er etwas Sicherheitsabstand. Der Kekshund kommt neugierig, freundlich auf ihn zu und schnüffelt an seiner Hand. Ich fragte Alex, ob er dem Hund eine Kaustange geben möchte. Mein Schüler setzt sich auf die Couch und hält Cookie die Stange hin. Während er sie nimmt, darf mein Schüler ihn sogar streicheln. Überhaupt scheint Cookie sich an Alex mehr und mehr zu gewöhnen. Immer häufiger kommt er in seine Nähe, und lässt dessen nach wie vor etwas unbeholfene, aber viel vorsichtigere und zurückhaltendere Streicheleinheiten zu. Er weiß, dass von Alex keine Gefahr ausgeht. Der sonst so unsichere Junge wird immer stolzer.

Alex erklärt es meiner Kollegin so: „Zuerst habe ich Cookie erschreckt. Dann habe ich mich entschuldigt. Er hat sich auch entschuldigt. Jetzt sind wir Freunde.“

Alle möchten, dass Cookie wiederkommt. Der Keks hat sich über die Zeit hinweg merklich wohler gefühlt, sich ruhig abgelegt, zwischendurch geschlafen und sich etwas verhätscheln lassen. Smilie: ;) Ich glaube, er möchte auch wiederkommen.

Und mir wird wieder einmal klar, was einen guten Schulhund ausmacht. Ein Schulhund muss sich nicht alles gefallen lassen, ohne sich zu rühren oder sich mal zu „beschweren.“ Ein guter Schulhund ist ganz bei den Schülern – und gibt direkte Rückmeldung zu ihrem Verhalten. Eben ein Stück weit nach dem Motto: Wie Du mir – so ich Dir.

Ich bin mir sicher: Was Alex als Erfahrung durch die Reaktion meines Hundes gelernt hat, hätte ich ihm niemals nur durch Erzählungen oder das Auswendiglernen von Regeln vermitteln können. Er musste es fühlen. Und auch wenn sich der Misserfolg anfangs, wie er sagte, „blöd“ anfühlte – um so schöner war der Erfolg. Sein großer Wille, mit Cookie „befreundet zu sein“, hat ihn dazu befähigt, sein Verhalten zu überdenken und zu ändern. Was Cookie damit in wenigen Minuten bei Alex erreicht hat – daran arbeite ich mit meinen Schülern normalerweise über Monate, manchmal Jahre.

Zum Ende des Schultages strahlt Alex mich überglücklich an und sagt: „Das ist wie Therapie.“

Mehr gibt es dazu eigentlich nicht zu sagen.

Kategorie(n): Schulhund