Von Wölfen, Hunden und Menschen…

Oder:
Als Mensch und Wolf einen Vertrag schlossen.

Vor kurzer Zeit hatte ich die einmalige Gelegenheit, Wölfe hautnah zu erleben. Im Wildpark der Lüneburger Heide traf ich auf die drei Polarwölfe Nanuk, Naaja und Noran, die von Tanja Askani großgezogen wurden.

Die Begegnung mit den drei weißen Riesen hat mich nachhaltig bewegt. Einerseits, weil ich in ihren Bewegungen und ihrem Ausdrucksverhalten meine Hunde wieder erkannte. Andererseits, weil auch die großen Unterschiede zu Hunden klar wurden: Die Wölfe waren auf eine ganz besondere Weise erhaben, anmutend und – obwohl von Menschenhand aufgezogen – wild. Ich erkannte, was sich über Generationen und Jahren verändert hat, und den Hund erst zu dem gemacht hat, was er heute ist.

Vor allem wurde mir aber klar, dass die Begegnung, wie sie stattgefunden hat, nur funktionieren konnte, weil die Wölfe es wollten. Sie wurden nicht dazu gezwungen, sich auf uns Menschen einzulassen und unsere Nähe zu suchen. Sie konnten sich so lange in unserer Nähe aufhalten, wie sie wollten. Die Tür stand offen, so dass sie jederzeit gehen konnten – oder den Besucherflur erst gar nicht hätten betreten müssen.
Dass sie mich, als ich schlussendlich ihr Gehege betrat, um mich mit ihnen fotografieren zu lassen, nicht angegriffen haben; mir stattdessen mit Neugier entgegen gekommen sind, lag vor allem daran, dass sie es so wollten. Wölfe kann man nicht unterwerfen, so wie es leider noch viel zu viele Menschen bei Hunden versuchen.
Wir Menschen, die „Krone der Schöpfung“ hätten körperlich gar keine Chance, uns gegen einen übel gelaunten Wolf zu wehren. Zum Zusammenleben ist es aufgrund der freien Entscheidung des Wolfs gekommen.

Hunde konnten nur domestizierte Haustiere werden, weil es Wölfe gab, die bereit waren, sich auf den Menschen einzulassen; in seiner Nähe zu leben. Domestikation hätte nicht unter Zwang funktioniert. Der Vorgang war keine „Einbahnstraße“, sondern konnte nur durch die Bereitschaft beider Lebewesen, einander zu verstehen, erfolgen.

Anders ausgedrückt: Mensch und Wolf haben einst einen Vertrag geschlossen, der an den Hund vererbt wurde.

Aber was gehört überhaupt zum „Vertragsrecht“?
Ich behaupte, allem voran Respekt und Achtung vor einander. Ein Hund ist ein Hund. Mehr Wolf als Mensch. Deutlich mehr. Als Hund möchte er behandelt werden. Dazu braucht er Orientierung, Sicherheit – und ist darauf angewiesen, dass sein Mensch ebenso bereit ist, ihn zu verstehen wie umgekehrt. Es gilt also für den Menschen, sich Wissen über Bedürfnisse von Hunden und Kommunikation von Hunden anzueignen, um so seinem Hund auf einer Ebene zu begegnen.
Zu viele Menschen glauben nach wie vor, ihr Hund müsse lernen, wie Menschen kommunizieren und sich dem anpassen. Wo ist die Bereitschaft, sich auf die hündische Kommunikation einzulassen?
Wo ist die Bereitschaft, dem Hund seine wölfische Natur zu gestatten, ihm z.B. zuzugestehen, dass seine Instinkte mal „mit ihm durchgehen“?! Ihn deswegen nicht als „unerzogen“ zu betrachten, sondern als Lebewesen mit nicht immer erfreulichen Eigenheiten, wie wir sie selbst auch haben. Glauben Sie mir – Ihr Hund versteht auch nicht alles, was Sie tun. Smilie: ;)

Der Mensch ist dabei, den Vertrag zu brechen. Der Hund kann sich nicht einmal einen Anwalt nehmen. Ein Hund ist nicht dazu geschaffen, selbstständig zu leben – anders als sein Urahn der Wolf. Wir haben uns den einstigen Wolf abhängig gemacht – nun müssen wir die Verantwortung dafür tragen.
Der Hund wird am ehesten verglichen mit einem juvenilen Wolf. Das Verhältnis von Mensch zu Hund, so schreibt Günther Bloch, sei ähnlich anzusehen wie das Verhältnis von Eltern zu Kindern. Als solche, als Eltern oder „Leittiere“ sind wir verantwortlich, für die Basis einer guten Beziehung zu sorgen.
Dieses geschieht nicht dadurch, dass wir den uns Anvertrauten gegenüber Gewalt anwenden, sie bei kleinen Problemen bereits ins Tierheim abschieben – oder uns ihrer, wie es leider in anderen Ländern öffentlich passiert, ganz entledigen!

Tun wir stattdessen unser Bestes, uns an den ursprünglichen Vertrag zu erinnern und ihn einzuhalten. Seien wir so fair, in jedem Hund den einstigen Wolf zu sehen, der sich auf das „Abenteuer Mensch“ eingelassen hat. Sorgen wir dafür, dass wir unseren Teil zur Erfüllung des Vertrages beitragen. Unsere „Wölfe“ tun es.

Kategorie(n): Allgemein

5 Antworten auf Von Wölfen, Hunden und Menschen…

  1. Liebe Johanna,

    ich bin, wenn ich Texte über Hunde oder Wölfe lese, sehr sehr kritisch, und schon mancher war ziemlich beleidigt, wenn ich ihm ins Gesicht gesagt habe, dass er Unsinn schreibt. Ich gehe aber bei diesem Thema keinerlei Kompromisse ein.

    Als ich deinen Text gelesen habe, kamen mir die Tränen, und es ist nun einer der seltenen Momente, in denen ich sage, dass ich zu 100 % hinter dem stehe, was du geschrieben hast, dafür danke ich dir.

    Wir, meine Freunde und ich, versuchen uns täglich dafür einzusetzen, dass Hunde naturgemäß behandelt werden, und zwar auf einem sehr gefährlichen Gebiet mit sehr starken Gegnern – auf dem Gebiet der Ernährung. Wir lehren die naturnahe Ernährung und entwickeln und verkaufen entsprechendes Futter und Produkte. Ich möchte keine Werbung machen, aber ich gebe dir trotzdem mal den Link zu unserer Haupt-Internetseite, damit du dir selbst ein Bild machen kannst, vielleicht lässt sich ja daraus eine Zusammenarbeit entwickeln (www.sammys-futterschuessel.de).

    Wenn du an einem weiteren Kontakt interessiert bist, dann schreib mir einfach eine Mail oder kontaktiere mich über Facebook, ich habe deine Seite dort grad zu meinen Favoriten hinzu gefügt.

    Liebe Grüße und ein erholsames Wochenende
    Henry Wollentin aus Magdeburg

    PS: Ich habe erst vor 2 Wochen 140 kg Katzen- und Hundefutter (Frischfleisch) nach Montabaur gebracht. Ist das nicht bei dir in der Nähe?

    • Hallo ! Meiner Meinung nach sollte nur der einen Hund halten dürfen, der sich zuvor eingehend mit der Natur der Wölfe auseinander gesetzt hat. Ich werde immer wieder ausgelacht (gerade im Umgang mit meiner Lieblingsrasse Husky), wenn ich einem Hund zärtlich in die Schnauze beiße (und ich nehme dazu tatsächlich die Zähne). Aber selbst die scheinbar wildesten Hunde werden zahm, wenn man einfach in Wolfsmanier mit ihnen kommuniziert und ihnen zärtlich aber bestimmt zu verstehen gibt, wer der Alpha-Rüde ist. Und plötzlich versteht einen der Hund. Äh, sorry. Plötzlich versteht man den Hund. Das was heute vielfach unter Hunde-Haltung verstanden wird ist kurz und knapp gesagt: staatlich genehmigte Tierquälerei.

    Johanna Pelz sagt:

    Hallo Henry!

    Vielen Dank für Dein schönes Feedback. Ich freue mich sehr, dass Dich der Text so angesprochen hat.
    Ich werde mal auf Deiner Seite stöbern.

    Viele Grüße und ebenfalls ein schönes Wochenende!
    -Johanna

  2. Hallo Johanna, nun bin ich endlich dazugekommen, mir deine neuen Texte ins Hirn einzufüllen und ich muss sagen, ich konnte durch deinen Schreibstil an deinem Erlebnis mit den Wölfen sehr partizipieren. Ich finde es interessant wie du den Text in gute Metapher beziehungsweise Wortspiele verpackt hast um so ein Verständnis für den Inhalt zu erlangen. Vor allem aber gefiel mir dein Aufruf an die Verantwortung eines jeden Hundehalters und nicht nur dieser sondern eines jeden Menschen Hund wie alle anderen Tiere auch mit Respekt und Anstand zu behandeln. Ich danke dir für diesen schönen Beitrag und die wunderschönen Fotos und werde noch ein Weilchen an und mit deinen Erfahrungen und Eindrücken zehren, auch wenn mein Kommentar aufgrund von häufigem Zeitmangel etwas später kommt.

    Johanna Pelz sagt:

    Liebe Inga,
    Ein Kommentar wird nicht wertvoll dadurch, dass er als prompte Reaktion erfolgt, sondern dadurch, dass er authentisch und wertschätzend ist. Vielen Dank daher an Dich für das schöne Feedback.

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