Damit der Hund müde wird…

„Oh, lassen Sie die spielen. Dann sind die gleich schön müde und schlafen gut.“
Wie oft habe ich diesen Satz schon gehört.

Mir scheint es häufig so, als sei das einzige Ziel von Hundebesitzern, ihre Hunde müde zu sehen. Der Tag fängt an – und der erste Gedanke gilt scheinbar der Überlegung, wie man den Hund am besten wieder zum Schlafen bekommt. Nur warum dann ein lebendiger Hund? Es gibt sehr schöne „Rassehunde“ mit einem Knopf im Ohr… Smilie: ;)
Aber ich möchte Hundebesitzern kein Unrecht tun. Häufig steht nicht das Ruhebedürfnis der Menschen im Vordergrund, sondern tatsächlich der Wunsch nach einem zufriedenen, ausgelasteten Hund. Ich behaupte jedoch, dass das geeignete Kriterium für einen zufriedenen Hund nicht unbedingt „müde“ lautet…

Viele Wege führen nach Rom…oder zum Ziel „müder Hund“. Was einer näheren Beleuchtung bedarf, ist der WEG dorthin.
Denn was…wenn der Weg das Ziel ist?
Plötzlich geht es in den Überlegungen nicht primär darum, dass der Hund müde wird, sondern was der Mensch mit ihm macht, damit der Hund ausgelastet ist.

Eine Frisbee zu fangen erschöpft einen Hund. Bällchen werfen auch. Wobei letzteres noch einmal ein umfangreiches anderes Thema ist. (Weil es eng mit dem Thema „Abhängigkeit von einem Motivationsobjekt bzw. Hetzen von diesem, bzw. daraus resultierendem unerwünschten Jagdverhalten“ verknüpft ist).
Beide Aktivitäten haben eines gemeinsam: Sie treiben den Hund weg vom Menschen. Die Bewegung des Menschen geht immer weg von ihm. Der Hund rennt hinterher – und lernt, dass er den „Kick“ fernab vom Menschen bekommt. Schade, denn so entsteht nicht nur allzu schnell das Problem „Wie bekomme ich meinen Hund von da hinten abgerufen“, der Mensch degradiert sich auch zur Wurfmaschine. Damit hat der Mensch im Spaßerleben seinen Hundes nur eine verschwindend kleine Rolle. An anderer Stelle, wenn es um den Bereich „Führung“ geht, sieht der Hund keine Notwendigkeit, sich seinem Menschen anzuschließen – weil aus der Bewegung „weg vom Halter“ keine Beziehung entstanden ist. Beziehung bedarf Nähe!

Was sind mögliche Alternativen?
Es bieten sich solche Spiele und Beschäftigungsmöglichkeiten an, die körpernah passieren und bei denen der Mensch somit eine bedeutende Rolle einnimmt: Futtermotivierte Spiele, die z.B. den bekannten „Unterordnungsübungen“ (siehe Vom Sinn und Unsinn der Unterordnung) entstammen, aber sprachfrei passieren; bei denen der Hund also mithilfe des Leckerchens in Positionen wie „Sitz“ oder „Platz“ zunächst „gezogen“ wird, durch die Beine läuft usw. Oder aber Sozial- und Bewegungsspiele, wie gemeinsames Laufen, Fangen und Raufen. Natürlich ist es sinnvoll, auch Motivationsobjekte wie Quietischies, Zerrseile usw. einzusetzen. Dabei geschieht der Einsatz der Objekte immer in Abhängigkeit von der Nähe des Menschen. Auch wenn der Hund ein Objekt „gewinnt“, so wird es nur kurz neben dem Menschen  „aufgetitscht“, bevor es der Hund „erbeutet“. Zwar kann er dann damit Raum gewinnen, indem er seine Beute stolz davon trägt – aber er kehrt zum Menschen zurück, weil er weiß, dass dort das Spiel weiter geht. Den Kick findet der Hund hier – anders als beim Bällchen fangen – im Spiel mit seinem Halter.
An anderer Stelle kann der Hund auch weiteren Raum durchschreiten, um Bewegung in größerer Distanz zum Menschen zu bekommen. Dieses kann z.B. durch Apportieren, also die gemeinsame „Jagd“ (von Futterbeuteln), realisiert werden. Es gilt dabei – die Jagd geschieht in Abhängigkeit vom Menschen.

Der Halter hat am Ende des Tages auch einen ausgelasteten Hund – aber der Spaß, der zwischen Aufstehen und Schlafen erfolgt, für den hat der Mensch gesorgt.

So entsteht Auslastung, aber vor allem Beziehung.

Kategorie(n): Spiel, Training

5 Antworten auf Damit der Hund müde wird…

  1. Wie wahr, wie wahr.

    Mein Hund zeigt mir den Weg jeden Tag indem er sagt: „Ich freue mich, wenn du etwas mit mir machst und nicht nur für mich.“ So entsteht eine wirkliche Beziehung!

    Danke Johanna für diesen wundervollen Beitrag.

    Johanna Pelz sagt:

    Du trifft eine sehr schöne Unterscheidung zwischen etwas FÜR den Hund machen und etwas MIT dem Hund machen. Beides ist gut gemeint – aber es hat ganz unterschiedliche Auswirkungen auf die Beziehung.

    annette vossel sagt:

    Klasse homepage und tolle Artikel! Viel Erfolg!
    LG Annette Vossel, Staffel VI Smilie: :-)

3 Reaktionen in anderen Blogs

  1. […] einfach weil dies die Konsequenz der Bewegung ist, die mit dem Wurfarm vollzogen wird? (siehe auch Damit der Hund müde wird […]

  2. […] Damit der Hund müde wird… […]

Schreibe einen Kommentar zu annette vossel Antworten abbrechen

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert.

Ich freue mich über Kommentare und Anregungen!